Kürzere Tage

Kürzere Tage

Anna Katharina Hahn

Language: German

Pages: 105

ISBN: 3518461583

Format: PDF / Kindle (mobi) / ePub


Mustermütter und Karrierefrauen, Eurythmie und Hysterie, Alleinerziehende und Problemkinder, Wohlstand und Verwahrlosung. Was geschieht, wenn man das Leben, das man immer haben wollte, endlich führt? Wenn die Kompromisse in Zwang umschlagen und das Glück sich nicht einstellt? In ihrer literarisch bestechenden Bestandsaufnahme erzählt Anna Katharina Hahn von Frauen, deren Lebensraum zum Käfig geworden ist und von einem Jungen, der ausbricht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

nach Hause kam, in ihren dünnen Lurexkleidern, Lederhosen, hohen Stiefeln. Wenn Sören mit ungenannten Kommilitoninnen auf Klausuren lernte und in Tübingen blieb, brachte sie auch andere Männer mit, schlief mit ihnen auf der mit Zigarettenlöchern übersäten Ausziehcouch und schmiß sie raus, wenn sie in Ruhe ihren Kaffee trinken und sich aus der blauen Dose bedienen wollte. Klaus war ausgezogen und hatte ihr seine neue Adresse in den Briefkasten geworfen: Constantinstr. 153, die Telefonnummer,

kuschelnd, knutschend und Händchen haltend. Felicia hängt schwer an Leonie. Es wird schnell dunkler, und im Haus rumort es. Die Tür geht auf, und die Kinderhorde stürmt auf das Gelände. »Wer ein Gespenst gefunden hat, liest die Nummer. Dann stellt ihr euch vor dem Geräteschuppen auf, da ist die Geisterbahn. Die Reihenfolge geht nach den Zahlen auf den Gespenstern! Wie Anstehen geht, wißt ihr ja?« ruft Bernd. Felicia windet sich aus Leonies Armen. Mattis und Lisa tauchen auf. »Ich hab mich nicht

ihren Blick. Sie sieht den gelben Papierschirm der Nachttischlampe im schwarzen Glas, daneben sich selbst im Hemd. Das Haar steht wirr und weiß vom Kopf ab. Ein Gespenst, ein sehr altes Gespenst. Das bin ich, das soll ich sein. Nun gut. Der Kissenhügel liegt als stille Winterlandschaft hinter ihr. Sie macht ein paar vorsichtige Schritte in Richtung Tür. Der Hund folgt ihr. Jawohl, ein guter Kaffee, der kann Tote aufwecken. Für Bohnenkaffee, da wird er aufstehen. Bohnenkaffee, der durch den

rieben sie sich in der Küche die Hände mit Salz ab, tranken Kaffee und stopften ein paar Brocken Hefezopf nach. Alle, die bei einer Leiche mithelfen, müssen hinterher essen und trinken. Hinter der Küchentür im Korb steht der Trollinger, den Wenzel beim Türken gekauft hat. Jeden Samstag bringt er eine neue Flasche und macht ein Theater mit dem Korken. Wie wird sie mit ihren Händen die Flasche öffnen? Die Näne sah ganz anders aus als die Schusterin. Ein Jahr bevor Luise nach Stuttgart ging, war

glaubt, der wird verdammt werden. Sie hatten nie darüber geredet. Und sie konnte wochenlang gut leben, ohne an den Herrgott, an Jesus Christus zu denken. Ganz anders als ihre Eltern, die Näne, gar die Tante Annelies, die sogar beim Teigkneten singend ihren Glauben ausströmte: Nun danket alle Gott, mit Herzen, Mund und Händen, der große Dinge tut, an uns und allen Enden, der uns von Mutterleib und Kindesbeinen an unzählig viel zu gut, bis hierher hat getan. Das Katholische war ihr immer fremd

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